Die Vertreter der sechs Wohlfahrtsverbände forderten im Rahmen des Pressegesprächs, die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärer Aufenthaltsgenehmigung nicht zu verlängern. Andernfalls sei die Integration von Flüchtlingen unmöglich.
Wie schwer die Situation für geflüchtete Familien in Deutschland derzeit ist, macht die Geschichte von Diaa Alhamwi, 18, aus Syrien deutlich. Mit der Unterstützung von Jonas Muth, Schulsozialarbeiter und Mitarbeiter beim Jugendmigrationsdienst, berichtet er auf Deutsch von seiner Flucht und dem Versuch, auch die Familie in Sicherheit zu bringen.
Sein Vater hatte eine Firma in Syrien, die Familie mit insgesamt fünf Kindern besaß zwei Häuser. "Wir hatten ein ganz normales Familienleben", sagt Diaa. Doch dann musste die Familie vor dem Krieg flüchten. Zunächst kamen sie bei der Großmutter unter. Von dort aus floh der ältere Bruder nach Deutschland, weil er zum Militärdienst antreten sollte und die Familie um sein Leben fürchtete. Sechs Monate später hatte die Familie erneut genug Geld gespart, um auch für Diaa die Flucht zu bezahlen, ehe er zum Militär eingezogen werden konnte.
Nachdem die Brüder über Umwege zusammen in Kenzingen untergekommen waren, versuchte Diaa, auch seine Eltern samt jüngerem Geschwisterkind in Sicherheit zu bringen. Zwar hatte der Schüler den vollen Asylschutz und eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre, mit dem 18. Geburtstag aber hätte er kein Recht mehr auf seine Familie gehabt. Er wandte sich hilfesuchend und unter großem Zeitdruck an Muth, der ihm beim Ausfüllen der zahlreichen, notwendigen Papiere half.
Einen Tag vor Diaas 18. Geburtstag erhielten die Eltern tatsächlich ein Ausreisevisum: Allerdings nicht für ihr jüngstes Kind, das alleine in Syrien zurückgeblieben wäre. Kurzentschlossen blieb die Mutter bei ihrem Kind, der Vater reiste mit einem Ein-Tages-Visum überstürzt zu seinen Söhnen nach Kenzingen. Dort erhielt er jedoch, anders als seine inzwischen volljährigen Söhne, nur subsidiären Schutz und darf die Ehefrau und sein jüngstes Kind aufgrund der Aussetzung des Familiennachzuges nun nicht nachholen. Die Situation ist für die ganze Familie sehr belastend.
"Diese Geschichte ist exemplarisch für viele, die wir in unserer Arbeit kennenlernen", sagt Muth. Auch Anja Kühnel vom Deutschen Roten Kreuz berichtet von der Not der Menschen, die ihre liebsten Angehörigen in Gefahr wissen. "Die Angst und das lange Warten macht die Menschen krank", berichtet sie. "Der Prozess der Integration kann bei vielen erst beginnen, wenn die Familie in Sicherheit ist."
Deshalb ist auch die lange Wartezeit für Flüchtlinge, die derzeit ein Recht auf Familiennachzug haben, unmenschlich, betont Meinhard Schamotzki, Geschäftsführer des Diakonischen Werks. So berichten alle Beteiligten, dass die Wartezeit für einen ersten Termin zur Anhörung derzeit zwölf bis 14 Monate dauert. Nicht selten schließen sich nach Einreichen der Papiere weitere sechs bis acht Monate Bearbeitungszeit an.
Sie fordern deshalb neben der Verkürzung der Bearbeitungsfristen ein Umdenken in der Politik: "Es ist absolut notwendig, dass die Familienzusammenführung nicht länger ausgesetzt wird", sagt Leweling, Geschäftsführer des Caritasverbandes und Vorsitzender der Liga am Dienstag im Gespräch. "Die Familien, die in den Kriegsgebieten zurückbleiben müssen oder unter unmenschlichen Bedingungen in Lagern warten, sind in großer Not. Deshalb empfinde ich die Verhandlungen, die momentan in der Politik geführt werden, und die Äußerungen von führenden Politikern gegen den Familiennachzug als unsäglich. Menschlichkeit kennt in meinen Augen keine Obergrenze."
Diaa ist nun eineinhalb Jahre in Deutschland und steht kurz vor dem Hautschulabschluss, sein Bruder ist bereits bei einer Firma in Wyhl in Ausbildung. Sie kennen sich inzwischen so gut aus, dass sie dem Vater helfen können, sich in Deutschland zurechtzufinden. "Familie ist der beste Integrationsmanager, den es gibt", sagt deshalb Muth und hofft gemeinsam mit den Vertretern der Wohlfahrtsverbände auf ein Umdenken in der Politik.