"Unser Ziel muss immer sein, allen Menschen die Teilhabe am sozialen Leben sowie ein selbstbestimmtes Leben in Würde zu ermöglichen", sagte Rainer Leweling, Vorsitzender der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und Caritas-Geschäftsführer im Landkreis Emmendingen. Schließlich ergeben sich aus dem Grundgesetz, den Menschenrechten und der Europäischen Sozialcharta umfangreiche Garantien darauf.
Der Alltag von immer mehr Menschen im Landkreis sieht aber anders aus: Ihnen ist es unmöglich, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, weil sie langzeitarbeitslos sind, keinen bezahlbaren Wohnraum finden oder nie Bildungs- und Chancengleichheit erfahren haben.
Es besteht dringender Handlungsbedarf - darin sind sich die Geschäftsführerenden der Liga-Wohlfahrtsverbände im Landkreis Emmendingen einig. Sie forderten deshalb im Rahmen eines Pressegesprächs konkrete Maßnahmen in den drei Bereichen Bildung, Arbeit und Wohnen.
Um allen Menschen die Teilhabe an umfassender Bildung zu ermöglichen, machen sich die Ligavertreter für eine verlässliche Förderung von Familienzentren stark. "Familienzentren sind wichtige Anlaufstellen im sozialen Nahraum der Menschen", betonte Meinhard Schamotzki, Geschäftsführer des Diakonischen Werks Emmendingen. Auch sozialraumorientierte Zentren und Mehrgenerationenhäuser seien eine wichtige Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen. Die finanzielle Förderung dürfe deshalb nicht auf die vom Bund geförderten Mehrgenerationenhäuser beschränkt werden. "Wir brauchen eine landesweite, stetige Förderung, um professionelle Strukturen und verlässliche Bildungsangebote aufrecht zu erhalten", sagte Schamotzki.
Neben fehlender Bildung führt auch länger anhaltende Arbeitslosigkeit zu verfestigter Armut. Trotz der guten konjunkturellen Entwicklung und der rückläufigen Arbeitslosenzahlen gibt es viele Menschen, die ohne Unterstützung keine realistische Chance auf eine Beschäftigung haben. "Wir müssen ihnen wieder eine Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffnen", forderte Leweling. "Der aktuelle Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung des SGB II greift zwar viele Forderungen der Wohlfahrtsverbände auf und ist somit endlich ein Schritt in die richtige Richtung", sagte Leweling. Allerdings müssten die Zugangsvoraussetzungen für eine entsprechende Förderung niederschwelliger sein, um nicht ins Leere zu laufen.
Einen Leistungsbezug nach vier statt sieben Jahren halten Caritas, Diakonie, Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Jüdische Gemeinde aus dem Landkreis Emmendingen deshalb für notwendig, um langfristiger Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Wichtig sei auch, dass sich die Förderung am Tariflohn orientiere, statt am Mindestlohn. Ansonsten ständen Arbeitgeber auf-grund von Finanzierungslücken für Eingliederungsmaßnahmen nicht zur Verfügung.
Eine weitere Bedrohung bringt der angespannte Wohnungsmarkt mit sich. Dass die Wohnungsnot inzwi-schen auch im Landkreis Emmendingen täglich zu spüren ist, berichtet Maja Kobzarev von der Jüdischen Gemeinde. Geeigneten Wohnraum für hilfebedürftige Menschen zu finden, sei fast unmöglich: "Zur Besichtigung einer Ein-Zimmer-Wohnung kommen hundert Menschen." Alexander Breisacher, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuz-Kreisverbandes Emmendingen bestätigte den Eindruck: "In jedem dritten Gespräch bei der Sozialberatung geht es derzeit um Wohnraum." Diakonie-Geschäftsführer Schamotzki appellierte an die Bereitschaft von Eigentümern, Grundstücke für neue Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Dabei sieht er auch die Kirchen in der Verantwortung. Dringend notwendig sei außerdem eine stärkere Objektförderung im sozialen Wohnungsbau. Nur so könnten Neubauten entstehen, die sich einkommensschwache Mieter oder Familien leisten können.
"Nicht alle Menschen sind arm, aber Armut gefährdet alle Menschen in Deutschland", fasste Norbert Köthnig vom Paritätischen Wohlfahrtsverband das Anliegen der Aktionswoche zusammen. "Schließlich sind Bildung, ausgeglichene Einkommensverhältnisse und Beschäftigung die Grundsäulen unserer demokratischen Gesellschaft."