Prof. Dr. Heribert Prantl war Podiumsteilnehmer beim Fachtag "Lösungsansätze in der Arbeit mit gewaltbereiten Jungen und Männern", den der Caritasverband für den Landkreis Emmendingen e.V. durchführte. Caritasverband für den Landkreis Emmendingen e.V. / Julia Fuchs
Zur ersten großen Präsenzveranstaltung seit Monaten lud der Caritasverband für den Landkreis Emmendingen e.V. am Montag, 14. Juni, in die Steinhalle in Emmendingen ein. "Lösungsansätze in der Arbeit mit gewaltbereiten Jungen und Männern" lautete der Titel eines Fachtags, zu dem Referenten sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus mehreren Bundesländern gekommen waren.
Mit dem Publizisten und Juristen Prof. Heribert Prantl war es dem Caritasverband gelungen, einen prominenten Gast für die Veranstaltung in Emmendingen zu gewinnen. Prantl, der mehrere Jahre in der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung war, stellte in seinem Vortrag "Verliebt, verlobt, verprügelt - Wie Männergewalt funktioniert und was Beratung, Politik und Gesellschaft dagegen ausrichten können" eine enge Verbindung zwischen männlicher Macht und Gewalt her. Eigentlich ein Widerspruch: "Gewalt ist ein Zeichen der Schwäche", sagte Prantl. Begründung finde dominante und gewaltbereite Männlichkeit aber in unserem tradierten Männerbild und der fehlenden Gleichberechtigung von Mann und Frau. "Die Internalisierung der Gleichberechtigung ist die Lösung für eine Vermeidung von Gewalt und Destruktion", sagte Prantl. Er plädierte zudem für mehr Opferschutz, der zugleich Tätervermeidung sei. "Aus frustrierten Opfern werden Täter", betonte Prantl mit Verweis auf die Statistik, der zufolge mehr als 40% aller männlichen Opfer irgendwann selbst zu Tätern werden. Kriminalpräventive Maßnahmen seien für eine Gesellschaft sehr wichtig: Neben der Sanktionierung durch den Staat sprach sich Prantl für gute Angebote der Sozialarbeit aus.
Ein sehr niederschwelliges Angebot für gewaltbereite Jungen und Männer macht der Caritasverband für den Landkreis Emmendingen seit Februar 2020 mit seiner in Süddeutschland (noch) einmaligen Beratungsstelle. Gewalt- und Männerberater Jonas Muth bietet Jungen und Männern das Gespräch an - gemäß dem Motto des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM) "Echte Männer reden", zu dessen Beraternetzwerk der Caritasverband gehört. "Die Jungen und Männer, die zu uns kommen, hatten oftmals schon zuvor Kontakt zu einer Institution, die sie weitervermittelt", berichtete Muth. Generell kann sich aber jeder Junge und Mann, der sich in einer Krise befindet, an die Beratungsstelle wenden. Muth kann bestätigen, dass Männer, die gewalttätig werden, häufig eigene Gewalterfahrungen haben. Den meisten Männern falle es zudem äußerst schwer, über Gefühle zu sprechen. Deshalb wünscht sich Muth mehr positive Rollenvorbilder: "Es ist wichtig, dass Männer ihre Rolle öffentlich reflektieren", sagte Muth in der Podiumsdiskussion, die von SWR-Journalist Georg Bruder moderiert wurde.
Rüdiger Jähne, Referent für Jungen- und Männerarbeit beim SKM-Bundesverband, erläuterte in einem sehr kurzweiligen Vortrag das Ziel des Verbandes, ein flächendeckendes Netz von Jungen- und Männerberatungsstellen aufzubauen und in der Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. "Es sollte auch für Jungen und Männer normal sein, Probleme zu haben und sich Hilfe zu holen", sagte Jähne und ermutigte zu mehr Herzensbildung für Jungen und Männer.
Von Männern mit großen Problemen berichtete Gefängnisseelsorger und Gewalt- und Männerberater Hubert Frank aus Mainz. Er führt Gespräche mit Inhaftierten und stellt fest: "Gewalt hat viel mit Entwürdigung zu tun." Vor allem in Einzelgesprächen erlebte der Seelsorger positive und würdige Momente und bedauert deshalb, dass Gewalttraining und -prävention in Deutschland häufig in kostengünstigeren Gruppenangeboten stattfindet. Dennoch berichtete er den 70 sehr aufmerksamen Zuhörerinnen und Zuhörern in der Steinhalle, dass er bei seiner Arbeit mit gewaltbereiten Männern auch an Grenzen stoße: "Ich erlebe in meiner Arbeit auch viel Ohnmacht und muss damit umgehen können."
Podiumsteilnehmer Stephan Buttgereit, Generalsekretär beim SKM-Bundesverband, betonte, dass die Jungen- und Männerarbeit noch am Anfang eines langen Weges stehe. Wichtig sei es, präsent zu sein und Jungen und Männer in ihrer Rollenfindung zu unterstützen: "Nicht alle Männer sind in diesem System Gewinner", sagte Buttgereit. "Es ist gut investiertes Geld, wenn wir Jungen und Männer beraten." Buttgereit formulierte den Wunsch, dass alle Akteure im Landkreis Emmendingen über Rollenbilder und Geschlechter diskutieren. "Das kann verändern", sagte Buttgereit.
Am Ende dankte Caritas-Geschäftsführer Rainer Leweling den Referenten und Podiumsteilnehmern, Birgitt Reisenweber, die durch das Programm führte und den Fachtag gemeinsam mit Muth und Leweling vorbereitet hatte, den im Hintergrund agierenden Caritas-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den engagierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus unterschiedlichen Institutionen und Bereichen, die mit vielen Diskussionsbeiträgen und angeregten Pausengesprächen zum Gelingen des Caritas-Fachtags in Emmendingen beigetragen hatten. "Wir sind am Anfang eines Weges, den wir gerne fortsetzen möchten", sagte Leweling.